Samstag, 14. Mai 2011

Wasser für die Elefanten: Das Buch zum Film von Sara Gruen

„Wasser für die Elefanten“ von Sara Gruen ist 2009 beim rororo Verlag erschienen und anlässlich der Verfilmung soeben mit dem Filmplakat als Cover neu heraus gekommen. Als Fan des Buchs und des Films bedanke ich mich sehr für das Rezensionsexemplar. Es umfasst 412 Seiten einschließlich Anhang und hat in der Mitte acht Seiten mit Hochglanzfotos aus dem Film.

Der Prolog fängt gleich mit dem Showdown an, und doch ist das nicht das Ende dieser rührenden und zugleich spannenden Geschichte um Jacob und Marlena in der Depressionszeit in den USA. Denn sie wird in einer Rahmenhandlung vom alten Jacob erzählt, die im Kapitel 1 mit den Worten: „Ich bin neunzig. Oder dreiundneunzig. So oder so.“ beginnt. Jacob lebt im Altersheim und das Gedächtnis funktioniert nicht mehr so gut. Aber als ein Zirkus sein Zelt dort aufschlägt, wird er hellwach und erzählt, wie er aus Verzweiflung zum Zirkus kam und die Liebe seines Lebens fand, damals in den 1930ern. In Analogie beginnt Kapitel 2 mit den Worten „Ich bin dreiundzwanzig und sitze neben Catherine Hale.“ Jacob Jankowski, Sohn polnischer Einwanderer, studiert an der Elite-Universität Cornell Veterinärmedizin und will nach dem Abschluss in die Tierarztpraxis seines Vaters einsteigen.
Doch es kommt ganz anders. Er wird herausgebeten und muss die Leichen seiner Eltern identifizieren, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Zu allem Überfluss hatten sich seine Eltern für sein Studium verschuldet, und so ist er auch das Elternhaus und die Praxis los. Er steht vor dem Nichts und läuft davon.
Spontan springt er nachts auf einen vorbeifahrenden Zug auf und befindet sich unversehens in der Welt der Zirkus-Züge, die durchs Land fahren und jeden Tag woanders ihr Zelt aufschlagen. Die Arbeiter, bei denen er nachts gelandet ist, lassen ihn erst mal bleiben und so schuftet er den ganzen Tag schwer. Pferdemist schaufeln ist angesagt, das Zirkusleben hinter den Kulissen ist hart. In der Menagerie sieht er dann die exotischen Tiere, die ihn sofort faszinieren, und er sieht sie das erste Mal: Marlena! Sie erinnert ihn an seine Kommilitonin Catherine, deren Liebe er zu gewinnen gehofft hatte, und ihn berührt ihre Art, mit den Pferden umzugehen. Doch sie entschwindet zur Aufführung und Jacob muss weiterschuften. Der Abend endet für ihn mit den Worten „...und ich werde nie mehr derselbe sein.“ Das bezieht sich zwar darauf, dass er bei der Stripperin aufgepasst hat und zum ersten Mal in seinem Leben eine nackte Frau gesehen hat – und Jacob ist noch Jungfrau –, aber es trifft auf sein ganzes Leben zu, das sich mit diesem Tag verändert. Allen widrigen Umständen zum Trotz engagiert ihn der Boss von Benzini Brothers, Onkel Al, als Veterinär, und er soll Silver Star, den Star aus Marlenas Pferdenummer heilen. Er wird dem wahnsinnigen Dompteur August unterstellt, der Marlenas Mann ist und kein Anzweifeln seiner Autorität duldet. Nach einem Zwischenfall erhält Jacob zur Wiedergutmachung eine Einladung in das Privatabteil von August und Marlena. Man speist in Smoking und Abendkleid. Der Alkohol fließt trotzt Prohibition in Massen. Marlena erzählt Jacob von Augusts Unberechenbarkeit und dass sie als Mädchen mit ihm durchgebrannt ist und deswegen enterbt wurde.
Beim nächsten Halt geht es Silver Star so schlecht, dass Marlena weint und Jacob bittet ihn zu erlösen. Gegen die Anweisung von Onkel Al erschießt Jacob das Pferd, obwohl er von August vorher erfahren hat, dass man aus dem fahrenden Zug geworfen wird, wenn man sich den Anweisungen von Onkel Al widersetzt. Aber Jacob darf bleiben, denn sie befinden sich auf einer Drei-Tage-Reise nach Joliet, um einen Zirkus, der in den schweren Zeiten aufgeben musste, zu fleddern. Und durch das tote Pferd wurde die kritische Versorgung der Raubkatzen mit Frischfleisch sicher gestellt. Nach zähen Verhandlungen in Joliet wähnt Onkel Al sich am Ziel seiner Träume: Er hat endlich einen Elefanten, so wie sein großes Vorbild, der Zirkus der Ringling Brothers! Jacob und Marlena sind fasziniert von Elefantendame Rosie, doch sie hat viel Geld gekostet und reagiert nicht auf Befehle. Es wird trotzdem gefeiert und Jacob verliert in dieser Nacht seine Jungfräulichkeit. Oder doch nicht? Das weiß er am nächsten Tag selbst nicht so genau. Die Sitten beim Zirkus sind rau. Statt der ersehnten Lösung vor der stets drohenden Pleite, wird alles immer komplizierter. August rastet ein ums andere Mal aus und schlägt Rosie, da sie nicht gehorcht. Dadurch kommen sich Marlena und der sanftmütige Jacob immer näher. Als Jacob dahinter kommt, warum Rosie nicht gehorcht, steht einer Dressur-Nummer mit Rosie und Marlena nichts mehr im Wege. Sie vergessen einen flüchtigen Kuss allein in den Straßen nach einer Razzia und fügen sich in das Unvermeidliche der 30er Jahre: sie ist mit August verheiratet und er ist sein Boss. Es bedarf also noch einiger Hindernisse bis Jacob in den Genuss seiner wahren Liebe kommt! Und wird es ein Happy End in der Rahmenhandlung geben?

Dieses Buch hat mich außerordentlich fasziniert. Denn es geht nicht nur um eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, ein klassisches Liebesdreieck. Sondern wir werden gleich in zwei Welten entführt: in die der 30er Jahre in der Depressionszeit in den USA und in die der großen Zirkus-Züge, und zwar hinter die Kulissen. Sara Gruen hat sorgfältig recherchiert und bringt uns diese doch sehr harte Zeit auf authentische Art und Weise nahe. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder, die oft sehr rau ist, in den stillen Momenten jedoch sehr poetisch. Und es geht natürlich nicht nur um Jacob und Marlena, sondern auch um wahre Männerfreundschaft über Standesgrenzen hinaus (die Hirarchie beim Zirkus ist streng) und die schlimmen Auswirkungen der Ingwer-Lähmung in der Prohibition. Gut gefällt mir auch, dass Jacob seine Geschichte als Rückblick erzählt, wir also in den Genuss einer Rahmenhandlung kommen, die uns zwischendurch immer wieder in die Gegenwart zurückholt (und man sollte das mit Muse lesen), wo das Buch dann auch endet. Ich empfehle auch den Anhang zu lesen, wo man viel über den Zirkus erfährt, u.a. auch über die Vorbilder für Rosie.

Auf dem Cover des Film-Buchs sind (wie auf dem Film-Plakat) die Hauptdarsteller Robert Pattinson (sehr einfühlsam als Jacob) und Reese Witherspoon (bewundernswert als Marlena) in vermeintlich romantischer Pose zu sehen. Rechts davon lehnt Christoph Walz (immer dem Abgrund nahe als August) an einer offenen Wagontür des Zirkus-Zugs und links sieht man Elefantendame Tai (die einmalige Rosie). Damit sind wir bei den Unterschieden zum Film, bei dem Francis Lawrence meisterhaft Regie geführt hat. Denn darin sind August und Onkel Al in einer Person vereint, dem Zirkusdirektor August, was diesem als Gegenspieler deutlich mehr Macht verleiht. Auch ist Marlena etwas stärker als im Buch gezeichnet und darf schon mal selbst Hand anlegen. Schön ist, dass die Rahmenhandlung beibehalten wurde, wenn auch „nur“ als Klammer am Anfang und Ende des Films, um den Zuschauer in den 2 Stunden nicht aus der Handlung zu reißen. Die Verfilmung ist sehr buchnah und absolut authentisch. Man taucht ein in die 1930er Jahre und den Zirkus und wird sofort mitgenommen auf diese ungewöhnliche Reise. Die Abweichungen in der Handlung bringen etwas mehr Dynamik ins Spiel und unterstreichen, dass das keine Hollywood-Romanze ist, sondern ein Melodrama. Dazu passt eben auch das Plakat, das keine romantische Situation darstellt, sondern den bedrohlichen Wendepunkt der Geschichte. Die Filmmusik von James Newton Howard untermalt das Ganze an einigen Stellen hervorragend und ist auch sonst sehr stimmig. Als Schmankerl sind auch einige Lieder aus der 30ern auf dem Soundtrack.

Mein Fazit: unbedingt lesen und unbedingt den Film ansehen (wenn möglich in der Originalfassung)!

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